Adolar Zumkeller schreibt in seinem Kommentar zur Augustinusregel: "In gedrängter Kürze bietet sie das Programm seines eigenen klösterlichen Lebens. Es spiegeln sich in ihr die Grundzüge seines Wesens: Gottinnigkeit und Nächstenliebe, seine evangelische Armut und Demut, seine selbstlose Dienstbereitschaft, Geduld und Herzensgüte."
"Vor allen Dingen, liebe Brüder, sollt ihr Gott lieben, sodann den Nächsten; denn das sind die Hauptgebote, die uns gegeben sind. Das ist es, was wir euch im Kloster gebieten." - so beschreibt Augustinus den Sinn und das Ziel des klösterlichen Lebens. Doch was können nun Richtlinien für uns sein, die hinführen zu dieser Verwirklichung?
"Das erste Ziel eures gemeinschaftlichen Lebens ist, in Eintracht zusammenzuwohnen und ein Herz und eine Seele auf Gott hin zu sein." "Lebt also in Eintracht und Liebe beisammen und ehrt in euch gegenseitig Gott, dessen Tempel ihr geworden seid."

Es geht hier Augustinus um die Verwirklichung einer heiligen Gemeinschaft, die in Gott begründet ist. Vorbild ist ihm hier die Lebens- und Gütergemeinschaft der ersten Christen in Jerusalem. Es ist sein Wunsch, der Kommunität in seinen Klöstern zu neuem Leben zu verhelfen. Richtige Mönche sind für Augustinus nur jene, die durch ihr einträchtiges Zusammenleben gleichsam zu einem einzigen Wesen werden, ja ein Herz und eine Seele auf Gott hin zu sein. Um solch eine Lebensgemeinschaft in "Eintracht und Liebe" überhaupt führen zu können, bedarf es aber einer sehr tiefen Verbundenheit, und damit Empfänglichkeit für Gott und seine Gaben, aber auch der Selbstverleugnung. So mahnt der heilige Augustinus zum Gebet, zur geistlichen Lesung, zum Bewahren der ersten, ungeteilten Liebe, dem Maßhalten und der Bescheidenheit im Umgang mit den zeitlichen Gütern. Er kennt die Schwäche der Menschen, er kennt ihre selbstsüchtigen Neigungen. Er weiß um die Schwierigkeiten, wenn verschiedenste Charaktere zusammenleben; wo ein unbedachtes, oder vielleicht sogar schlimmer noch, ein bedachtes Wort schaden und verletzen kann. Aus diesem Grund fordert er zu Nachsicht und Vergebung auf.

Augustinus weiß auch um die Macht des Eigenwillens, der das geistliche Leben des Einzelnen, ja sogar einer ganzen Gemeinschaft gefährden und zerstören kann. Deshalb soll auch der Obere oder Vorgesetzte zur Sorge für die ganze Gemeinschaft, ja für jeden einzelnen Bruder bestimmt sein. Der Obere soll "in Liebe dienen". Die Brüder sollen ihm deswegen auch gehorchen "wie einem Vater". Mit einem solchen Gehorsam wird das Ziel allen klösterlichen Lebens, nämlich "ein Herz und eine Seele" in Gott zu sein, für jeden einzelnen, ja für die ganze Kommunität erreichbar. Sicherlich aber nur dann erreichbar, wenn alles von der Liebe überstrahlt wird, der Liebe, die, so Augustinus, "ewig bleibt".

 

 

 

Schwerpunkte der heute geltenden Augustinusregel

 

 

Kapitel 1
Ziel und Grundlage des gemeinsamen Lebens

 

"Das erste Ziel eures gemeinschaftlichen Lebens ist, in Eintracht zusammenzuwohnen und ein Herz und eine Seele für Gott zu sein.", so beschreibt der hl. Augustinus in seiner Regel das Lebensprogramm für seine Gemeinschaft.
Es geht ihm hier um die Verwirklichung einer ganz und gar in Gott gegründeten Gemeinschaft, die seiner Auffassung nach der Angelpunkt klösterlichen Lebens ist. Klösterliches Leben bedeutet für ihn "Gemeinschaft aus der Fülle christlichen Glaubens" und Ehrfurcht voreinander: "... ehrt in euch gegenseitig Gott, dessen Tempel ihr geworden seid."
Die Regel ist durch und durch getragen von der Idee der christlichen Liebesgemeinschaft. Augustinus hat immer das Bild der urchristlichen Gemeinde aus der Apostelgeschichte vor Augen: "Sie hatten alles gemeinsam und jedem wurde das zugeteilt, was er nötig hatte." (Apg 4,32.35)
Eine Realisierung so einer christlichen Liebesgemeinschaft besteht in der Gemeinsamkeit von Besitz, Nahrung, Kleidung und Wohnung, also in der Verwirklichung eines Zusammenlebens "in Eintracht und Liebe".
Es geht Augustinus im Umgang miteinander darum, jedem einzelnen mit seinen Stärken und Schwächen gerecht zu werden, d. h. ihm in Ehrfurcht zu begegnen, denn der andere ist Tempel Gottes, in ihm ist Gott zu ehren. Gemeinschaft ist für den Heiligen so ein Ort, an dem ich Gott begegne.

 

 

Kapitel 2
Das Gebet

 

Man erkennt hier, dass der hl. Augustinus ein Kenner der menschlichen Herzen ist. Er ermahnt in seiner Regel: "Wenn ihr in Psalmen und Hymnen zu Gott betet, soll auch im Herzen leben, was der Mund ausspricht." Er meint, der Beter soll behutsam sein, aufmerksam, zu wem er da spricht und was er da sagt.
"In großer Offenheit gesteht der Heilige auch von seinem eigenen Beten, dass es oft durch das Dunkel und die Wirrnis weltlicher Händel beeinträchtigt und gelähmt werde."
Ausdrücklich bezeichnet er es in seinen Schriften über die klösterliche Handarbeit als Irrweg, wenn sich Mönche derart in ihre Arbeiten vergraben, dass für Gebet und Lesung keine oder nicht genügend Zeit übrig bleibt.
Es ist beachtenswert, dass sich in Augustins Regel die Bestimmungen über das gemeinsame Gebet unmittelbar anschließen an: "Lebt also beisammen als ein Herz und eine Seele und ehret in euch Gott, dessen Tempel ihr geworden seid." Denn gerade in diesen Stunden des gemeinsamen Gebetes sollte sich jene übernatürliche Liebesgemeinschaft festigen und immer mehr vertiefen, die der Heilige als klösterliches Lebensziel erstrebte.
Letztlich, so schreibt Augustinus, seien jene ungewollten Mängel des täglichen Betens für den Menschen nur eine Prüfung Gottes, die der Läuterung und dem inneren Fortschritt dienten. Er sagt: "Es ist besser für dich, im Lob Gottes zu versagen, als im Lob deiner zu wachsen!"

 

 

Kapitel 3
Einfache Lebensführung und Abtötung

 

In diesem Kapitel mahnt Augustinus zu einer einfachen Lebensführung und bringt Weisungen bezüglich des Essens und des Fastens, wobei auf die gesundheitliche Verfassung des einzelnen Rücksicht zu nehmen ist. Diese Rücksichtnahme auf die Bedürftigkeit bzw. die Stärke eines Mönches erstreckt sich auch auf die Zuteilung von Kleidung, Betten und Decken.
Der Heilige warnt auch vor der Gefahr, dass die Reichen, die ein Leben in besseren Verhältnissen aufgegeben haben, sich im Kloster abmühen, während die Armen ihren sozialen Aufstieg genießen und bequem und faul werden. Gerade in diesem Abschnitt wird der Wille Augustins zu einem sinnvollen und gerechten Ausgleich deutlich: Jedem das, was er nötig hat.
Auffallend ist, dass Augustinus im Hinblick auf die Bedeutung der christlichen Askese für das klösterliche Leben und für die körperliche Abtötung keine genaue Ordnung aufstellt. Er ist in dem, "was er der Allgemeinheit als Gesetz auflegt, milde und rücksichtsvoll." Deshalb verzichtet er auf eine genau festgeschriebene Fastenordnung.
Nach Adolar Zumkeller legte Augustinus auch "keinen besonderen Wert auf Menge oder Größe der asketischen Übungen". Vielmehr sagt er: "Nach meiner Auffassung darf man das Fasten eher mildern als verschärfen!"
Das Ziel der asketischen Übungen ist bei ihm jedenfalls ein durchaus positives: die Wiederherstellung der Ordnung im eigenen Herzen, "die als Folge des Sündenfalls gestört ist".
Hinsichtlich der gemeinsamen Mahlzeit betont der Heilige die Wichtigkeit der üblichen Lesung bei Tisch, die ohne Lärmen und Streiten anzuhören ist. Diese Lesung soll in erster Linie der geistigen Vervollkommnung dienen. Durch diesen besonderen Zweck unterscheidet sie sich nach ihm wesentlich von jeder gewöhnlichen Lesung und wird zu einer eigentlichen religiösen Übung. Er stellt sie mit dem Gebet auf eine Stufe: "Wenn du betest", sagt er in einer Predigt, "sprichst du zu Gott; wenn du Lesung hältst, spricht Gott zu dir."

 

 

Kapitel 4
Bewahrung der Keuschheit und brüderliche Zurechtweisung

 

Dieser Abschnitt der Regel fordert unauffälliges Benehmen und sittliche Haltung, wie es der Lebensweise des Gottgeweihten zukommt.
In den Konstitutionen unseres Ordens heißt es: "Die Keuschheit um des Himmelreiches willen, die unter den evangelischen Räten besonders hervorragt, müssen wir als hohes Gnadengeschenk und Quelle vieler Gaben in hohen Ehren halten."
Worin besteht nun der Wert und die Würde der Keuschheit? Sicherlich nicht in der Enthaltsamkeit an sich, sondern darin, dass "sie Gott geweiht ist".
"Durch die Keuschheit", so die Konstitutionen weiter, "werden unsere Herzen bereit zu größerer Gottesliebe und unser Wille wird frei für eine ungeteilte Hingabe an den Dienst Christi und seiner Kirche in allen Formen des Apostolates."
Augustinus empfiehlt den Gottgeweihten Enthaltsamkeit, stets "Vorsicht zu üben". "Niemand rede sich ein", äußert er in einer Predigt, "die Zeit der Versuchung ist vorbei. Wer dies sagt, verspricht sich den Frieden. Wer sich aber Frieden verspricht, wird in seiner Sorglosigkeit heimgesucht."
Solange Menschen, die die ehelose Keuschheit gelobt und sie Gott geweiht haben, leben, sind sie vor Anfechtungen nicht sicher. Augustinus nennt zum Schutz der Keuschheit "natürliche Hilfsmittel", mit deren Unterstützung es leichter möglich sein soll, alles, was dieses Ideal gefährden könnte, "mit feinem Gespür" von sich zu weisen.
"Wacht gegenseitig über eure Reinheit", schreibt er, "denn Gott, der in euch wohnt, wird euch auf diese Weise durch euch selbst schützen."

 

 

Kapitel 5
Die zeitlichen Bedürfnisse und deren Besorgung

Hier werden die Aufgaben verteilt, die das Gemeinschaftsleben notwendigerweise mit sich bringt, wie z. B. die Sorge für die Kleidung, für das Essen, für das Schuhwerk, für die Bücher, die Sorge für die Gesundheit und die Versorgung der Kranken.
Damit das rechte Maß gewahrt bleibt, ordnet Augustinus eine gemeinsame Obhut der Kleider an. Es soll Aufgabe einiger bestimmter Mitbrüder sein, die Pflege und Reinigung der Gewänder vorzunehmen. Als Ideal erscheint es ihm, wenn nicht jeder das wiedererhält, was er vorher im Gebrauch hatte, sondern vielleicht auch einmal ein nicht so schönes Gewand, das vorher von einem anderen getragen wurde. Wohl lässt er aber auch die Möglichkeit gelten, dass dem einzelnen, wegen seiner menschlicher Schwäche und aus Rücksichtnahme, das gleiche Kleid wiedergegeben wird.
Dies ist der konkreteste Teil der Regel, denn er nimmt unmittelbar Bezug auf das Alltagsleben. Damit ist zugleich ausgesagt, dass dieses Kapitel sehr viele zeitgebundene Vorschriften aufweist, die wir heutzutage nicht mehr auf dieselbe Art verwirklichen können.

 

 

Kapitel 6
Abbitte und Verzeihung von Beleidigungen

 

Gegenstand dieses Kapitels ist das Zusammenleben aller Mitglieder der Gemeinschaft im bestmöglichen gegenseitigen Einvernehmen, nämlich "ein Herz und eine Seele für Gott" zu sein. Aber der Heilige ist kein weltfremder Idealist, wie sich schon des öfteren in den klärenden Worten seiner Regel gezeigt hat. So bespricht er die praktischen Schwierigkeiten, die sich der Verwirklichung dieses Zieles entgegenstellen. Wo Menschen zusammenleben, gibt es Zusammenstöße und Probleme.
Man könnte diesem Kapitel auch den Titel geben: Die Mitglieder einer Gemeinschaft sollen sich untereinander vertragen. Der Text handelt nämlich in erster Linie von der Art und Weise, wie man bei Konflikten zu verfahren hat. Nicht die Tatsache, dass es Konflikte gibt, ist entscheidend, entscheidend ist die Frage, wie es nach einem Konflikt weitergehen soll.

 

 

Kapitel 7
Der Geist des Befehlens und des Gehorchens

 

Wie das vorige Kapitel behandelt auch dieses ein zwischenmenschliches Problem: das der Autorität. Es geht um den klösterlichen Gehorsam der Untergebenen einerseits und um die rechte Autorität des Oberen andererseits, für die er, so Augustinus, "für Gott einst Rechenschaft ablegen muss".
Für Augustinus ist nicht der Gehorsam das Fundament des monastischen Lebens, sondern die Liebe. Er betrachtet die Klostergemeinde als eine geistige Familie, deren Oberhaupt der Obere ist. Diesem sollen die Mönche gehorchen "wie einem Vater".
Diese geistige Vaterschaft sieht Augustinus als einen Auftrag Gottes, darum ist dem Vorgesetzten Ehrfurcht zu erweisen, damit nicht Gott in ihm beleidigt wird.
Nur im Falle, dass der Obere etwas befiehlt, was gegen die Gebote Gottes verstößt, ist Ungehorsam geboten. Schließlich fordert Augustinus seine Mönche noch auf, durch willigen Gehorsam nicht bloß mit sich selbst, sondern auch mit dem Oberen Erbarmen zu haben, denn je höher seine Stellung unter ihnen ist, "desto größer ist auch die Gefahr, in der er lebt".

 

 

Kapitel 8
Beobachtung der Regel

 

Der wesentliche Aspekt klingt im letzten Kapitel noch einmal an: das Wachsen in der Gottes- und der Nächstenliebe. Nicht umsonst hat die christliche Kunst Augustinus das flammende Herz beigegeben, als Ausdruck seiner Gottesliebe, denn die Liebe ist das Grundanliegen seiner Regel. Ihr Ziel ist es ja, eine Gemeinschaft der Liebe - gemäß der Erzählung der Apostelgeschichte - mit dem Vorbild der Liebes- und der Gütergemeinschaft der ersten Gemeinde in Jerusalem, zu verwirklichen. Das ist ein hohes Ideal, und das nicht nur für jene, die einem Orden angehören. Es zu leben und zu verwirklichen ist sicherlich schwer. Alle Empfehlungen aber, alles was Augustinus von seinen Brüdern bzw. Schwestern verlangt, sind Voraussetzungen für eine gute Lebensführung. Unter diesem Aspekt betrachtet, kann der Text der Augustinusregel für uns eine gute Möglichkeit bieten, anhand seiner Aussagen unser Leben immer wieder neu zu überdenken, und wenn es notwendig ist, auch zu ändern.

 

 

 

Auszüge aus unserer Ordensregel

 

 

Kapitel 1

 

Das erste Ziel eures gemeinschaftlichen Lebens ist, in Eintracht zusammenzuwohnen und ein Herz und eine Seele auf Gott hin zu sein. Lebt also in Eintracht und Liebe zusammen und ehrt in euch gegenseitig Gott, dessen Tempel ihr geworden seid.

 

 

Kapitel 2

 

Wenn ihr in Psalmen und Hymnen zu Gott betet, soll auch im Herzen leben, was der Mund ausspricht.

 

 

Kapitel 3

 

Ihr sollt die für reicher halten, die im Ertragen von Entbehrungen stärker sind; denn wenig brauchen ist besser als viel haben.

 

 

Kapitel 4

 

Euer Benehmen sei unauffällig; legt Wert darauf, nicht durch Kleidung, sondern durch sittliche Haltung angenehm aufzufallen.

 

 

Kapitel 5

 

Keinem darf das, was er nötig hat, versagt werden. Ihr seid um so weiter vorangekommen, je mehr ihr um eure Gemeinschaft statt um eure privaten Interessen besorgt seid, so dass alle zeitlichen Bedürfnisse überstrahlt werden von der Liebe, die ewig bleibt.

 

 

Kapitel 6

 

Streit solltet ihr eigentlich gar nicht haben oder möglichst schnell beenden. Wer durch ein Schimpfwort, durch üble Nachrede oder gar den Vorwurf eines Vergehens jemand verletzt hat, der soll sehen, dass er so schnell wie möglich das wiedergutmacht, was er angerichtet hat. Der Beleidigte aber verzeihe ohne lange Verhandlungen.

 

 

Kapitel 7

 

Der Obere soll sich nicht deshalb glücklich schätzen, weil er kraft seines Amtes gebieten, sondern weil er in Liebe dienen kann.

 

 

Kapitel 8

 

Der Herr gebe, dass ihr ... dies alles in Liebe beobachtet - nicht wie Sklaven unter dem Gesetz, sondern wie Freie unter der Gnade.

 

 

 

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