Präambel

Das Augustiner-Vikariat Wien hat beschlossen, das Pfingsttreffen 2006 der Frage nach einem Leitbild zu widmen. Dazu wurden Moderatoren angefragt.
Vereinbarungsgemäß wurde das Leitbild beim Pfingsttreffen 2007 überprüft und ergänzt.

Dieses Leitbild ist eine verbindliche Grundlage für unser Ordensleben und dient der regelmäßigen individuellen und gemeinschaftlichen Reflexion des Lebens, Glaubens und Arbeitens als Augustiner im Augustiner-Vikariat Wien.

 

 

1. Wer wir sind

Als Augustiner sind wir eine verbindliche Lebensgemeinschaft im Orden, die auf der Idee von Augustinus und seiner Vorstellung von einem Leben in Beziehungen basiert. Unsere Ordensregel und unsere Konstitutionen sind Grundlage dieser Lebensgemeinschaft, die für uns Einheit in Vielfalt bedeutet. Wir haben zwei wichtige Säulen unseres Ordenslebens: die Liturgie und die Frage nach der lebenslangen Bildung (formatio continua) im Sinne einer Entwicklung von fachlichen und menschlichen Kompetenzen.

Diese Grundlagen hatten damals Ausstrahlungskraft; heute gilt es dies zu überprüfen. Denn wir stellen fest, dass wir in Stress- und Druck-Situationen nicht die notwendige Zeit füreinander aufbringen, so dass Offenheit, Aufmerksamkeit und Verständnis füreinander leiden. Dagegen wollen wir Räume des Vertrauens und Räume für ein angstfreies Miteinander schaffen.

 

 

2. Was wir wollen

Unser Leben in der Gemeinschaft ist geprägt von dem Bemühen, das Leben miteinander und mit den Menschen (Horizontale) mit einer lebendigen Gottesbeziehung (Vertikale) in Einklang zu bringen und immer neu zu vertiefen, was wir erfahren haben und ansatzhaft leben. Voraussetzung, um anderen zur Menschwerdung zu verhelfen, ist eine spirituell wie praktisch gelebte Menschwerdung der eigenen Person.

 

Umgang miteinander

Wir halten es für wichtig, dass wir die Kontakte untereinander stärken und pflegen. Dabei ist für uns eine wertschätzende Kommunikation mit- und übereinander Bestandteil eines ehrlichen Austauschs. In einem solchen Klima des Vertrauens und der Solidarität ist es möglich, Erwartungen aneinander auszusprechen, Ängste zu verbalisieren und Rückmeldung zu geben. So kann Offenheit und eine gesunde Konfliktkultur entstehen, die Leben in seiner ganzen Tiefe möglich macht. Dazu gehört auch, dass Unsicherheiten ausgehalten werden können, dass ich den Anderen sein lassen kann, Entwicklung und Veränderung zulassen und ihn auf seinem Weg bestärken kann. Jeder Mitbruder hat in der Gemeinschaft Zukunftsperspektiven, die auf einer Solidarität zwischen den Generationen beruht.

 

Ämter in der Gemeinschaft

Wer in der Gemeinschaft ein Amt übernimmt, muss diese Leitungsfunktion als Dienstamt verantwortlich wahrnehmen. Dazu gehört, sich um fachliche Unterstützung für die Erledigung der anstehenden Aufgaben zu bemühen, entsprechend zu delegieren und nach innen wie nach außen zu kommunizieren. Über die Erledigung der mit dem Amt verbundenen Aufgaben legt der Amtsinhaber jährlich, in der Regel beim Pfingsttreffen, der Gemeinschaft oder dem von dieser beauftragten Gremium Rechenschaft ab.

 

Mit den Menschen Leben und Glauben teilen

Wenn Leben in Gemeinschaft gelingen soll, kann es nicht auf den Binnenraum des Ordens begrenzt sein. Vielmehr wollen wir Menschen auf der Suche nach der Tiefe und dem Sinn ihres Lebens begleiten. Für diese Aufgabe erfahren wir Unterstützung von haupt- und ehreamtlichen Laien, die ihre Kompetenzen in den Dienst der Gemeinschaft stellen. In der Verantwortung für sie und im Zusammenwirken mit ihnen ist dieses Leitbild Richtschnur und verbindlicher Maßstab. Bei alldem treibt uns der Wunsch nach einem Leben in Fülle, nach Heilung und Erlösung, die ihren letzten Grund und ihr Ziel in der Verwirklichung des Reiches Gottes haben und die wir ansatzweise aus dem Fest der Gemeinschaft verkosten können. Am Ende wird sein das Fest ohne Ende (Augustinus). Dieser Dreiklang von geteiltem Leben (Diakonia), gedeutetem Leben (Martyria) und gefeiertem Leben (Leiturgia) macht für uns Menschwerdung aus, die erst mit dem letzten Atemzug vollendet sein wird. Solche Menschwerdung strahlt aus und kann einladend sein, mit uns zu leben.

 

Wien  • Stuttgart  • Zwiesel, 30. Mai 2007